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Kartellamt kann schärfer gegen Digitalkonzerne vorgehen

Die Kar­tell­be­hör­den kön­nen künf­tig schär­fer gegen mög­li­che Wett­be­werbs­ver­stö­ße der gro­ßen Di­gi­tal­kon­zer­ne wie Ama­zon, Goog­le und Face­book vor­ge­hen. Der Bun­des­tag stimm­te am 14.01.2021 in drit­ter Le­sung der seit Mo­na­ten dis­ku­tier­ten Re­form des Ge­set­zes gegen Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen zu. Nun kann das Bun­des­kar­tell­amt leich­ter gegen Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen vor­ge­hen, wenn markt­be­herr­schen­de Di­gi­tal­un­ter­neh­men ihre Po­si­ti­on aus­nut­zen.

Neuer § 19a GWB er­laubt Kar­tell­amt Ein­grei­fen
Die Re­form wurde mit den Stim­men der Re­gie­rungs­ko­ali­ti­on und der Grü­nen an­ge­nom­men. Die Op­po­si­ti­ons­par­tei­en AfD, FDP und Linke ent­hiel­ten sich der Stim­me. Die No­vel­le be­steht vor allem aus einem neuen § 19a des GWB. Die­ser er­laubt es dem Kar­tell­amt erst­mals, eine „über­ra­gen­de markt­über­grei­fen­de Be­deu­tung“ von Di­gi­tal­platt­for­men fest­zu­stel­len und ihnen dar­auf­hin be­stimm­te Prak­ti­ken zu un­ter­sa­gen. Bei­spiels­wei­se soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass die In­ter­ne­trie­sen ihre ei­ge­nen Pro­duk­te auf ihren Platt­for­men nicht be­vor­zugt vor Pro­duk­ten von Kon­kur­ren­ten an­bie­ten. Kar­tell­ver­fah­ren sol­len be­schleu­nigt wer­den, damit die Be­hör­den zü­gi­ger für einen fai­ren Wett­be­werb sor­gen kön­nen.
Fu­si­ons­kon­trol­le erst bei Jah­res­um­satz von zehn Mil­lio­nen Euro
Zudem sieht die No­vel­le auch eine Über­ar­bei­tung der Fu­si­ons­kon­trol­len vor, so­dass sich das Bun­des­kar­tell­amt auf re­le­van­te Fu­sio­nen kon­zen­trie­ren kann. Un­ter­neh­mens­zu­sam­men­schlüs­se sol­len erst der Kon­trol­le un­ter­lie­gen, wenn ein be­tei­lig­tes Un­ter­neh­men in Deutsch­land min­des­tens einen Jah­res­um­satz von 50 Mil­lio­nen Euro macht, statt bis­her 25 Mil­lio­nen und au­ßer­dem ein an­de­res be­tei­lig­tes Un­ter­neh­men einen Jah­res­um­satz in Deutsch­land von min­des­tens 17,5 Mil­lio­nen Euro macht, statt bis­her fünf Mil­lio­nen.
Für Be­schwer­den jetzt di­rekt der BGH zu­stän­dig
Ei­gent­lich hätte das Di­gi­tal-Up­date für das Wett­be­werbs­recht noch 2020 ver­ab­schie­det wer­den sol­len. Doch Union und SPD konn­ten sich zu­nächst nicht ei­ni­gen, ob auch der Rechts­weg ver­kürzt wer­den soll, um jah­re­lan­ge Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen den Di­gi­tal­kon­zer­nen und dem Bun­des­kar­tell­amt zu ver­mei­den. Letzt­lich setz­te sich die Union mit ihrer Auf­fas­sung durch, dass Be­schwer­den nicht mehr zu­erst beim Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf lan­den, son­dern di­rekt vor dem Bun­des­ge­richts­hof als obers­ter In­stanz ver­han­delt wer­den. Zuvor hat­ten der Jura-Pro­fes­sor Her­mann-Josef Bunte, ehe­ma­li­ger Rich­ter am Han­sea­ti­schen OLG, sowie der BGH selbst in kur­zen Gut­ach­ten die recht­li­chen Be­den­ken aus dem Weg ge­räumt.
CDU-Ab­ge­ord­ne­ter spricht von „Ge­burts­stun­de der so­zia­len Di­gi­tal­wirt­schaft“
Red­ner der Re­gie­rungs­par­tei­en be­ton­ten, mit der No­vel­le wolle man die di­gi­ta­le Wirt­schaft nicht aus­brem­sen, indem man Un­ter­neh­men nur wegen ihrer blo­ßen Größe an­ge­he. „Wir wol­len sie le­dig­lich dort in ihre Ver­ant­wor­tung neh­men, wo sie ihre Markt­po­si­ti­on zum Nach­teil der Wett­be­wer­ber, der Ver­brau­cher, der Un­ter­neh­men miss­bräuch­lich aus­nut­zen“, sagte der CDU-Ab­ge­ord­ne­te Mat­thi­as Hei­der. Sein Par­tei­kol­le­ge Hans­jörg Durz sagte: „Wir fei­ern nicht we­ni­ger als die Ge­burts­stun­de der so­zia­len Di­gi­tal­wirt­schaft.“Die Linke für prä­ven­ti­ve Zer­schla­gung der gro­ßen In­ter­net-Kon­zer­ne
Die Grü­nen stimm­ten der No­vel­le zu, be­män­gel­ten je­doch das „schlep­pen­de Tempo“, mit dem die Re­form um­ge­setzt wor­den sei. Die AfD mach­te sich statt einer Än­de­rung des Kar­tell­rech­tes für einen frei­wil­li­gen Ver­hal­tens­ko­dex stark, der zwi­schen Un­ter­neh­mens­ver­bän­den und den Ver­brau­cher­ver­bän­den aus­ge­han­delt wer­den soll­te. Die Lin­ken for­der­ten da­ge­gen eine prä­ven­ti­ve Zer­schla­gung der gro­ßen In­ter­net-Kon­zer­ne, so wie sie der­zeit in den USA dis­ku­tiert werde.
Deut­scher Ge­setz­ge­ber in­ter­na­tio­nal Vor­rei­ter
Der Prä­si­dent des Bun­des­kar­tell­am­tes, An­dre­as Mundt, be­grü­ß­te den Par­la­ments­be­schluss. „Der deut­sche Ge­setz­ge­ber ist hier in­ter­na­tio­nal Vor­rei­ter.“ Ähn­li­che In­stru­men­te wür­den zwar auch auf eu­ro­päi­scher Ebene dis­ku­tiert, aber der Ge­setz­ge­bungs­pro­zess stehe hier noch ganz am An­fang. „Wir wer­den künf­tig be­stimm­te Ver­hal­tens­wei­sen der Big-Tech-Un­ter­neh­men schon frü­her un­ter­sa­gen kön­nen, also quasi bevor das Kind in den Brun­nen ge­fal­len ist.“

Redaktion beck-aktuell, 14. Jan 2021 (dpa).