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Post-Brexit-Handelspakt vorläufig in Anwendung

Zum 01.01.2021 ist der Post-Brexit-Han­dels­pakt, auf den sich die Eu­ro­päi­sche Union und Großbri­tan­ni­en in letz­ter Mi­nu­te noch ge­ei­nigt hat­ten, in vor­läu­fi­ge An­wen­dung ge­setzt wor­den. Mit dem Ab­kom­men wird ein har­ter wirt­schaft­li­cher Bruch ver­mie­den, nach­dem Großbri­tan­ni­en mit dem Ende der Über­gangs­pha­se zum 01.01.2021 auch aus dem EU-Bin­nen­markt und der Zoll­uni­on aus­ge­tre­ten ist.

EU-Par­la­ment will Text noch prü­fen

Bis­her hat nur die EU-Spit­ze den Han­dels­pakt un­ter­zeich­net. In Großbri­tan­ni­en stimm­ten kurz vor dem Jah­res­en­de beide Kam­mern des Par­la­ments dem Ab­kom­men zu; Kö­ni­gin Elizabeth II. setz­te das Ra­ti­fi­zie­rungs­ge­setz in der Nacht zum 31.12.2020 in Kraft. Das Eu­ro­pa­par­la­ment will den Text nun noch genau prü­fen. An­vi­siert wird eine Ab­stim­mung im Fe­bru­ar oder März 2021. Als letz­ten Schritt auf­sei­ten der EU muss der Rat den Be­schluss über den Ab­schluss des Ab­kom­mens an­neh­men.

Drei Haupt­pfei­ler

Wie die EU-Kom­mis­si­on in­for­miert, be­steht das Han­dels- und Ko­ope­ra­ti­ons­ab­kom­men aus drei Haupt­pfei­lern: Es be­grün­det eine neue Wirt­schafts- und So­zi­al­part­ner­schaft mit dem Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich, steckt einen neuen Rah­men für die Straf­ver­fol­gung und jus­ti­zi­el­le Zu­sam­men­ar­beit in Straf- und Zi­vil­sa­chen ab und be­inhal­tet ein spe­zi­el­les Ka­pi­tel über die Go­ver­nan­ce, in dem dar­ge­legt wird, wie das Ab­kom­men ge­hand­habt und kon­trol­liert wird.

Grenz­kon­trol­len, Vi­sa­frei­heit ein­ge­schränkt

Den­noch gibt es große Än­de­run­gen: So wer­den an den Gren­zen künf­tig Kon­trol­len nötig, weil Stan­dards über­prüft wer­den müs­sen, unter an­de­rem bei Agrar­pro­duk­ten. Für Bür­ger ist die Mög­lich­keit des ein­fa­chen Um­zugs vor­bei. Auch die Vi­sa­frei­heit bei Rei­sen ist künf­tig zeit­lich be­grenzt.

Null­zoll­sät­ze und Null­kon­tin­gen­te für bri­ti­sche Waren

Das Ab­kom­men er­streckt sich nicht nur auf den Han­del mit Waren und Dienst­leis­tun­gen, son­dern auch auf eine ganze Reihe an­de­rer Be­rei­che, die im In­ter­es­se der EU lie­gen, wie In­ves­ti­tio­nen, Wett­be­werb, staat­li­che Bei­hil­fen, Steu­er­trans­pa­renz, Luft- und Stra­ßen­ver­kehr, En­er­gie und Nach­hal­tig­keit, Fi­sche­rei, Da­ten­schutz und Ko­or­di­nie­rung der Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit. Es sieht Null­zoll­sät­ze und Null­kon­tin­gen­te für alle Waren vor, die den ent­spre­chen­den Ur­sprungs­re­geln ge­nü­gen.

Auf­recht­erhal­tung hoher Schutz­stan­dards ver­ein­bart

Beide Par­tei­en haben sich ver­pflich­tet, durch Auf­recht­erhal­tung eines hohen Schutz­ni­veaus in Be­rei­chen wie Um­welt­schutz, Be­kämp­fung des Kli­ma­wan­dels und Koh­len­stoff­preis­ge­stal­tung, So­zi­al- und Ar­beit­neh­mer­rech­te, Steu­er­trans­pa­renz und staat­li­che Bei­hil­fen so­li­de und glei­che Wett­be­werbs­be­din­gun­gen zu ge­währ­leis­ten.

Ei­ni­gung über Streit­the­ma Fi­sche­rei

Die EU und das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich haben sich auf einen neuen Rah­men für die ge­mein­sa­me Be­wirt­schaf­tung der Fisch­be­stän­de in den Ge­wäs­sern der EU und des Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reichs ge­ei­nigt. Das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich wird in der Lage sein, seine Fi­sche­rei­tä­tig­kei­ten wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, und gleich­zei­tig wer­den die Tä­tig­kei­ten und Le­bens­grund­la­gen der eu­ro­päi­schen Fi­sche­rei­ge­mein­den ge­schützt und die na­tür­li­chen Res­sour­cen er­hal­ten.

Si­che­rung der Fahr­gast­rech­te und der Ver­kehrs­si­cher­heit

In Bezug auf den Ver­kehr sieht das Ab­kom­men eine dau­er­haf­te und nach­hal­ti­ge Ver­net­zung in den Be­rei­chen Luft-, Stra­ßen-, Schie­nen- und See­ver­kehr vor, wenn auch der Markt­zu­gang hin­ter dem des Bin­nen­markts zu­rück­blei­be, so die Kom­mis­si­on. Es ent­hält Be­stim­mun­gen, mit denen si­cher­ge­stellt wer­den soll, dass im Wett­be­werb zwi­schen Be­trei­bern aus der Union und dem Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich glei­che Wett­be­werbs­be­din­gun­gen gel­ten, so­dass die Fahr­gast­rech­te, Ar­beit­neh­mer­rech­te und die Ver­kehrs­si­cher­heit nicht ge­fähr­det wer­den.

Im En­er­gie­be­reich neues Mo­dell für Han­del und Ver­bund­fä­hig­keit

Im En­er­gie­be­reich bie­tet das Ab­kom­men ein neues Mo­dell für den Han­del und die Ver­bund­fä­hig­keit mit Ga­ran­ti­en für einen of­fe­nen und fai­ren Wett­be­werb, ein­schlie­ß­lich Si­cher­heits­stan­dards für Off­shore-An­la­gen, und für die Er­zeu­gung er­neu­er­ba­rer En­er­gi­en.

Ko­or­di­nie­rung der Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit

In Bezug auf die Ko­or­di­nie­rung der Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit zielt das Ab­kom­men dar­auf ab, eine Reihe von Rech­ten von EU- Bür­gern und bri­ti­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen zu ge­währ­leis­ten. Dies be­trifft Bür­ger der EU, die im Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich ar­bei­ten be­zie­hungs­wei­se dort­hin rei­sen oder um­zie­hen, sowie Staats­an­ge­hö­ri­ge des Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reichs, die in der EU ar­bei­ten be­zie­hungs­wei­se dort­hin rei­sen oder um­zie­hen und gilt ab dem 01.01.2021.

Re­ge­lun­gen zur jus­ti­zi­el­le Zu­sam­men­ar­beit in Straf- und Zi­vil­sa­chen

Mit dem Ab­kom­men wird zudem ein neuer Rah­men für die Straf­ver­fol­gung und jus­ti­zi­el­le Zu­sam­men­ar­beit in Straf- und Zi­vil­sa­chen ge­schaf­fen. Es be­stä­tigt die Not­wen­dig­keit einer engen Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den na­tio­na­len Po­li­zei- und Jus­tiz­be­hör­den, ins­be­son­de­re bei der Be­kämp­fung und Ver­fol­gung von grenz­über­schrei­ten­der Kri­mi­na­li­tät und Ter­ro­ris­mus. Es wer­den neue ope­ra­ti­ve Ka­pa­zi­tä­ten ge­schaf­fen, wobei be­rück­sich­tigt wird, dass das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich als Nicht-EU-Mit­glied au­ßer­halb des Schen­gen-Raums nicht über die­sel­ben Ein­rich­tun­gen ver­fügt wird wie bis­her. Die Zu­sam­men­ar­beit im Si­cher­heits­be­reich kann aus­ge­setzt wer­den, falls das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich seine Ver­pflich­tung zur fort­ge­setz­ten Ein­hal­tung der Eu­ro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on und ihrer in­ner­staat­li­chen Durch­set­zung ver­letzt.

Ver­bind­li­che Durch­set­zungs- und Streit­bei­le­gungs­me­cha­nis­men

Um Un­ter­neh­men, Ver­brau­chern und Bür­gern grö­ßt­mög­li­che Rechts­si­cher­heit zu bie­ten, wird in einem spe­zi­el­len Ka­pi­tel über die Go­ver­nan­ce dar­ge­legt, wie das Ab­kom­men ge­hand­habt und kon­trol­liert wird. Fer­ner wird ein Ge­mein­sa­mer Part­ner­schafts­rat ein­ge­setzt, der dafür sorgt, dass das Ab­kom­men ord­nungs­ge­mäß an­ge­wandt und aus­ge­legt wird und in dem alle sich er­ge­ben­den Fra­gen er­ör­tert wer­den. Ver­bind­li­che Durch­set­zungs- und Streit­bei­le­gungs­me­cha­nis­men sol­len ge­währ­leis­ten, dass die Rech­te von Un­ter­neh­men, Ver­brau­chern und Ein­zel­per­so­nen ge­ach­tet wer­den. Dies be­deu­tet laut Kom­mis­si­on, dass Un­ter­neh­men in der EU und im Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich unter glei­chen Wett­be­werbs­be­din­gun­gen mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren und ver­hin­dert wird, dass jede Par­tei ihre Re­gu­lie­rungs­au­to­no­mie nutzt, um un­fai­re Sub­ven­tio­nen zu ge­wäh­ren oder den Wett­be­werb zu ver­zer­ren. Beide Par­tei­en kön­nen im Fall von Ver­stö­ßen gegen das Ab­kom­men sek­tor­über­grei­fen­de Ge­gen­maß­nah­men er­grei­fen. Dies gilt für alle Be­rei­che der Wirt­schafts­part­ner­schaft.

Kein Rah­men für Zu­sam­men­ar­beit bei Au­ßen­po­li­tik, äu­ße­rer Si­cher­heit und Ver­tei­di­gung

Die Zu­sam­men­ar­beit in den Be­rei­chen Au­ßen­po­li­tik, äu­ße­re Si­cher­heit und Ver­tei­di­gung fällt nicht unter das Ab­kom­men, da das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich diese Frage nicht ver­han­deln woll­te. Ab dem 01.01.2021 wird es daher kei­nen Rah­men zwi­schen dem Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich und der EU geben, um ge­mein­sa­me Re­ak­tio­nen auf au­ßen­po­li­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen zu ent­wi­ckeln und zu ko­or­di­nie­ren, bei­spiels­wei­se die Ver­hän­gung von Sank­tio­nen gegen Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge oder Volks­wirt­schaf­ten.

Aus­tritts­ab­kom­men bleibt in Kraft

Ab­schlie­ßend be­tont die EU-Kom­mis­si­on, dass das Aus­tritts­ab­kom­men in Kraft bleibt. Es schüt­ze unter an­de­rem die Rech­te der EU-Bür­ger und der bri­ti­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen, die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der EU und vor allem Frie­den und Sta­bi­li­tät auf der iri­schen Insel. Das Aus­tritts­ab­kom­men – ins­be­son­de­re das Pro­to­koll zu Ir­land und Nord­ir­land – werde am 01.01.2021 um­ge­setzt. Am 17.12.2020 seien der Ge­mein­sa­me Aus­schuss der EU und des Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reichs zu­sam­men­ge­tre­ten, um alle förm­li­chen Be­schlüs­se und an­de­ren prak­ti­schen Lö­sun­gen im Zu­sam­men­hang mit der Um­set­zung des Aus­tritts­ab­kom­mens zu bil­li­gen. An­ge­sichts die­ser ein­ver­nehm­li­chen Lö­sun­gen werde das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich die strit­ti­gen Klau­seln des bri­ti­schen Bin­nen­markt­ge­set­zes auf­he­ben und keine ver­gleich­ba­ren Be­stim­mun­gen in das Steu­er­ge­setz auf­neh­men.

Redaktion beck-aktuell, 4. Jan 2021 (ergänzt durch Material der dpa).