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Einziehung und Überwachung bei Marktmanipulationen

Nach einer Marktmanipulation durch eine irreführende Handlung – etwa durch abgesprochene Eigengeschäfte – kann das Strafgericht den gesamten Erlös aus dem späteren Aktienverkauf als Tatertrag einziehen; in allen anderen Fällen dagegen nur die Wertsteigerung, die beispielsweise durch falsche Angaben oder „sonstige Täuschungshandlungen“ eingetreten ist. Zugleich hat der Bundesgerichtshof klargestellt: Bei einer Überwachung der Telekommunikation dürfen die Ermittler auch auf E-Mails zugreifen, die bereits vor der Anordnung der Maßnahme beim Provider eingegangen sind.

Eine Tatvariante wird besonders teuer

Das Landgericht Hamburg hatte zwei Angeklagte wegen Marktmanipulation zu Freiheitsstrafen von vier und drei Jahren verurteilt. Auch befanden die Richter, sie und zwei beteiligte Unternehmen müssten den gesamten Ertrag aus dem Verkauf der Anteilsscheine abgeben, deren Kurs sie unter anderem durch Abgabe eines limitierten Kaufauftrags künstlich hochgepuscht hatten. Die Bundesrichter ließen dies in der Revision aber nur für „handelsgestützte Marktmanipulationen“ zu. Diese liegen etwa bei einem abgesprochenen Eigenverkauf vor (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG a. F.). Bei „informations-“ und „handlungsgestützten Marktmanipulationen“ (§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 WpHG a. F.), bei denen beispielsweise unzutreffende Gerüchte gestreut werden, darf die Justiz demnach hingegen nur die dadurch erreichte Wertsteigerung einziehen (§§ 73 ff. StGB). Denn hinsichtlich des Erlöses aus einer anschließenden Veräußerung fehle es am erforderlichen Kausalzusammenhang mit der Tat. All diese Handlungen sind seit dem Erlöschen der einschlägigen Bestimmungen im Wertpapierhandelsgesetz nach der unmittelbar geltenden Marktmissbrauchsverordnung der EU illegal.

Beschlagnahme als Alternative

Gar kein Glück hatten die Verurteilten mit ihrer Rüge, die Richter in der Hansestadt hätten auch „ruhende“ E-Mails gegen sie verwendet, die beim Provider zwischen- oder endgespeichert worden waren, bevor die heimliche Überwachung ihrer Telekommunikation angeordnet worden war. Zwar sei das Fernmeldegeheimnis „der verfassungsrechtliche Maßstab für die Überwachung flüchtiger Daten“ (Art. 10 Abs. 1 GG), so der BGH. Doch erfasse § 100a Abs. 1 StPO auch solche Nachrichten. Dem stehe nicht entgegen, dass die Behörden die Daten stattdessen durch eine offene Beschlagnahme nach § 94 StPO hätten bekommen können: Beide Maßnahmen schlössen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzten sich, so die obersten Strafrichter.

„Keine Infiltrierung“

Zudem könnten Mails nach § 94 StPO ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Speicherung beschlagnahmt werden, erinnerte der 5. Strafsenat – dann sei der Zugriff gemäß § 100a StPO mit seinen deutlich strengeren Anforderungen erst recht zulässig. Ein weiteres Argument: Im Zuge einer „Quellen-TKÜ“, bei der informationstechnische Systeme infiltriert würden, eine Erstellung von Persönlichkeitsprofilen drohe und für die der Gesetzgeber deshalb besondere Anforderungen aufgestellt habe, sei nach § 100a Abs. 5 S. 1 Nr. 1b StPO eine rückwirkende Kontrolle verboten. Daraus ergebe sich aber im Umkehrschluss, dass eine solche zeitliche Einschränkung in anderen Fällen eben nicht gelte.

zu BGH, Beschluss vom 14.10.2020 – 5 StR 229/19

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 5. Jan 2021.